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Schweizermeisterschaft Elite 2020

von Annina

 

Es ist Regen vorausgesagt für diesen Tag, also habe ich nicht nur Esswaren für mich und Bango eingepackt, die etwa für eine Woche reichen würden, sondern für die 4 Runden dieses Rennens auch 4 Fleece- und Regendecken und 4 Garnituren neue Kleidung inkl. Regenjacken. 

An der Ausrüstung soll es nicht scheitern! Auch an einem verlorenen Hufeisen nicht. Weil die Groompoints vom Veranstalter betreut sind, nehme ich den Hufschuh in einem Bauchtäschli auf mich. Das ist zwar unbequem, doch ich werde es überleben. Damit auch mein wegen einem Kuh-Tritt verplattetes Sprunggelenk und meine Hallux-operierten Füsse die Strapazen dieser 2800 Höhenmeter überstehen, habe ich mit einem Lederriemen einer Westernsattel-Gurtstrippe, Kabelbinder und einer kleinen Alu-Schiene eine «Spezial-Steigbügel-Aufhängung» gebastelt und mir drei Tage vor dem Ritt noch neue Trekkingschuhe mit guter Profil-Sohle gekauft. Mit 7 Blasenpflastern an den Zehen sollte es gehen und der Reiter muss am Schluss ja nicht mehr korrekt vortraben…

Samstag 10. Oktober 2020 07:00 Uhr: Start im «Vollschiff» mit Stirnlampen auf die ersten 32 Kilometer. Alle 7 Starter bleiben auf der ganzen Runde zusammen und traben schön gesittet hintereinander her. Die Kilometer-Tafeln kommen nur schleppend und Melania ist schon ziemlich verzweifelt auf ihrem stark pullenden Pferd Nibau. Im Dunkeln auf dem nassen Boden mit z.T. grossen Geröll-Steinen trauen wir uns kaum zu galoppieren. Mit +/-15 km/h kommen wir in’s erste Vetgate. Bango ist als erster beim Tierarzt. 

Erste Pause, alles nass aber Bango ist richtig hungrig und frisst alles was Kaspar ihm anbietet. Wunderbar! So gut hat er noch nie gefressen! Gerade rechtzeitig bevor ich nur noch schlottere ziehe ich mich trocken an und ab geht es auf die zweite Runde.

Diese ist schon viel angenehmer, weil man nun den Boden sieht und es weniger regnet. Stefanie Patricia und ich setzen uns vorne etwas ab und ich frage mich, ob das schon eine Vorentscheidung sei, doch auf der dritten Runde schliessen Alois und Melania nacheinander sehr schnell zu uns auf. 

Nun sind wir also zu fünft und werden von Runde zu Runde immer schneller (2. Runde 16.6 und dritte Runde 17 km/h). Wahrscheinlich denken wir alle dasselbe; das Tempo ist extrem hoch für diese Strecke mit den ungleichmässigen Schotterstrassen und den vielen Höhenmetern, aber zumindest ich will einen Finish auf der abschüssigen Teerstrasse kurz vor dem Ziel unbedingt verhindern. Wenn irgend möglich soll es vorher zu einer Entscheidung kommen.

Wir kommen wieder ziemlich geschlossen ins letzte Vetgate, nur Patricia fällt etwas zurück und kann nach der Pause nicht mehr mithalten.

Nun sind wir also zu viert auf der letzten Runde der Schweizermeisterschaft und es gibt nur 3 Medaillen. Ich sage mir, es muss ja nicht beim ersten SM-Start für Bango schon eine Medaille sein und nehme mir vor, bei einem allfälligen Finish nicht auf Teufel komm raus mitzumischen. Promi und Bango laufen super zusammen. Bergauf lässt sich Bango manchmal etwas zurück fallen und Promi scheint sich zu freuen, ihn jeweils in wunderbar schwungvollem Trab zu überholen. Promi macht das genau wie seine Halbschwester Zaffi. Die hat auch für bergauf einen Extra-Trab-Gang!

Bango holt immer selbständig wieder auf und geht freiwillig sowohl mit Alois als auch mit Melania mit, als diese je versuchen sich abzusetzen. Auch wenn Melania’s Überholmanöver auf einem abschüssigen Streckenabschnitt ist, lasse ich ihn mitgaloppieren….auf diesem Ritt habe ich gelernt, vertrauensvoll abwärts zu galoppieren. Das übt man sonst ja nie…

Ein Finish auf der Teerstrasse wird immer wahrscheinlicher… sch… 5 bis 6 Kilometer vor dem Ziel geht es nochmals länger bergauf. Wir sind alle im Trab und plötzlich fallen Promi, Schedir und Nibau mit Alois, Steffi und Melania in Schritt und nur Bango trabe weiter. Als er merkt dass die anderen nicht mitkommen bremst auch er etwas ab, doch ich muss ihn nur mit der Stimme aufmuntern und so trabt er weiter bergan. Ich schaut nicht zurück, denke auf diesen letzten Kilometern ist es einfach mein Rennen und ich schaue auf niemanden anderen mehr. Als es wieder flacher wird warte ich vergebens auf Hufgetrappel in meinem Rücken. Es ist einfach still hinter mir. Habe ich mich vielleicht verritten? Doch dann sehe ich die «erlösenden» Steinmehltupfen. Als es mal länger geradeaus geht (was bei diesem Ritt selten ist) schaue ich dann doch zurück und sehe zwischen den Bäumen Steffi mit Promi. Ein weiterer Beweis, dass ich mich nicht verritten habe, also munter weiter mit knapp 18 km/h. Die Kilometer schwinden, Bango galoppiert munter weiter und nun sehe ich auch Steffi nicht mehr, also ist auch sie nicht dabei wieder aufzuschliessen. Die Kilometer-Tafel für die letzten zwei Kilometer erscheint am Wegrand und ich bin auf weiter Flur alleine zuvorderst an der Schweizermeisterschaft Elite 2020 unterwegs…. Unglaublich!!! Bango wirkt nicht müde also habe ich auch keine Angst dass uns nun noch etwas passieren kann. Bango Bango Bango …. unterwegs zu Gold…. Unglaublich … nun sehe ich das Ziel und denke, dass ganz sicher nicht alle dort unten damit gerechnet haben, dass jemand aus unserer Vierergruppe sich so deutlich absetzen kann…. und dass das Bango mit mir sein würde! … ich habe ja selber nicht daran geglaubt! Mein «petit poney magique» (Zitat vom stolzen Züchter Nicolas Blot auf Facebook) holt Gold und macht mich zur Schweizermeisterin.

Vor der Schlusskontrolle habe ich eigentlich keine Angst, denn er trabte in einwandfreier Manier die Teerstrasse runter zum Ziel. 3 Tage vor dem Rennen hat er sich auf der Weide einen Ballentritt geholt und der hat sich durch die 6 ½ Stunden «Geröllmassage»  leicht entzündet und wahrscheinlich zum B im Gang bei der Schlusskontrolle geführt.

Am nächsten Tag räume ich nur mühsam mit Muskelkater, Rückenschmerzen und tauben Zehen die ganze Bagage auf, doch Bango trabt munter und hungrig mit seinen drei Schimmelis auf die Weide. Er hat noch nie nach einem Rennen so gut ausgesehen! Danke Bango!!!!! Und Danke Kaspar und Lea für’s Groomen und Heimfahren!